Simulator Alt

Die Begriffe „Simulator“ bzw. „Simulationstraining“, insbesondere in Zusammenhang mit Ausbildung, stammen ursprünglich aus der Luftfahrt. Seit den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts werden Piloten auf Flugsimulatoren trainiert – dies dient neben der grundlegenden Ausbildung von spezifischen Flugverfahren v.a. der Vorbereitung auf (Not-)Situationen, welche in der Realität kaum trainiert werden können. Das Training kann kostengünstig und ohne jede Gefährdung von Personen durchgeführt werden: dies gilt für die Luftfahrt ebenso wie für die Medizin.

Flugsimulator

Das wohl eindrucksvollste Beispiel für eine solche Situation war die Landung eines Airbus 320 durch den US-Piloten Chesley Sullenberger auf dem Hudson River in New York Anfang 2009. An diesem Beispiel wird deutlich, welche Rolle fachliches Können, langjährige Erfahrung aber auch regelmäßiges Training am Simulator spielt. Mittlerweile hat Simulation und Simulationstraining nicht nur in der Luftfahrt, sondern in nahezu allen Hochsicherheitsbereichen (Kraftwerke, Industrie) einen festen Stellenwert.

Durch die Analyse kritischer Ereignisse lassen sich typische Risikofaktoren identifizieren, gegen die gezielt Präventivmaßnahmen ergriffen werden können. Heute weiß man, dass in der Medizin (ebenso wie in der Luftfahrt) rund 70 % aller unerwünschten Ereignisse und Zwischenfälle nicht auf fachliche Defizite, sondern auf den „Faktor Mensch“ zurückzuführen sind.  Die Psychologie erkennt im menschlichen Handeln, insbesondere in kritischen Situationen, sogenannte nicht-technische (oder nicht-fachliche) Faktoren als zentrale Elemente krisenhafter Entwicklungen. Dazu zählen  vor allem Kommunikationsdefizite, Probleme in der Teamarbeit, Arbeits- und Aufgabenüberlastung, Übermüdung und Überwachungsprobleme. Verstärkend wirken systemische Faktoren wie organisationale Mängel und nicht-ergonomische Gestaltung der Arbeitsumgebung, sowie natürlich auch individuelle, wissensbasierte Fehler.

An diesem Punkt setzt nun medizinisches Simulationstraining an: im simulierten Szenario greifen Fachwissen, Kommunikation und Situationsmanagement wie ein Räderwerk ineinander. Durch auf die individuellen Bedürfnisse zugeschnittene Trainingsmodelle und wiederholtes Üben im Team werden Abläufe abgestimmt und optimiert. Selbsterkenntnis der Teilnehmer bewirkt profundes, nachhaltiges Lernen und Entwicklung von situationsangepassten Strategien der Stressbewältigung. Dazu werden geeignete Werkzeuge für die sichere Bewältigung typischer Risikosituationen vermittelt (Prinzipien des Crisis Ressource Management).

Im Rahmen eines „Crisis Resource Management Training“ können Teams aus unterschiedlichen Kliniken ebenso wie gut aufeinander „eingespielte“ Kollegen effektives Verhalten in kritischen Situationen trainieren. Der besondere Fokus liegt dabei auf den sog. „non-technical skills“ – also jenen  Fertigkeiten, welche neben fachlicher Expertise für den Erfolg maßgeblich sind: effiziente Kommunikation, gute Führung bzw. Teambildung, ein hohes Situationsbewusstsein und klare Entscheidungsfindung.

ZIELE DES SIMULATORTRAININGS

Ziel des Simulatortrainings ist kompetentes Handeln in der zeitlichen Enge einer Notfallsituation. Unter Einbeziehung aller relevanten Faktoren müssen – oft unter Zeidruck – die richtigen Entscheidungen getroffen werden.

Gerade im Akutbereich – Schockraum, Notaufnahme, Operationssaal oder an der Intensivstation – ist die Interaktion zwischen Mensch, Technik und Organisation von zentraler Bedeutung. Daher finden sich Elemente der Sicherheitskultur anderer Hochsicherheitsbereiche, wie etwa der kommerziellen Luftfahrt, zunehmend auch in der Medizin: SOP´s, Checklisten, Briefing und Debriefing,  Training am Simulator.

Während eines Simulatortrainings lernen die Teilnehmer, (Behandlungs-)Abläufe unter den vorgegebenen Umständen so zu optimieren, dass das beste Ergebnis für den Patienten erzielt werden kann. Koordinierte Zusammenarbeit im Team, Optimierung von Kommunikationsprozessen, Entscheidungsfindung und Nutzung vorhandener Ressourcen sind dabei nur einige der CRM-Prinzipien, welche vermittelt werden.

Die Inhalte der Trainingsszenarios kommen der Realität übrigens nicht ganz zufällig sehr nahe: viele entstammen aus Einträgen von medizinischen Ereignismeldesystemen (siehe auch CIRS).

DAS TRAININGSKONZEPT

Trainingskonzept

In den ein- bzw. zweitägigen Kursen werden die Inhalte des Crisis Resource Management, basierend auf dem Konzept des Institute for Medical Simulation (University of Stanford) vermittelt [1]. Der Schwerpunkt liegt auf den sog. „non-technical skills“, eigentlich den „nicht-medizinischen“ Fertigkeiten: Aufgabenverteilung, Teamarbeit, Kommunikation, Entscheidungsfindung sowie physiologischen und psychologischen Faktoren, die unser Handeln unter Streß beeinflussen („human factors“) [2].

Neben der Vermittlung theoretischer Grundlagen zu diesen „menschlichen Faktoren“ steht am Zentrum vor allem das praktische Arbeiten im Team im Vordergrund. Typische Szenarien aus dem klinischen Alltag der Teilnehmer werden mit Hilfe eines „künstlichen Patienten“ bearbeitet und im anschließenden Debriefing ausführlich analysiert. Mit der Unterstützung erfahrener Instruktoren erarbeiten die Teilnehmer Handlungsstrategien, die dann im eigenen klinischen Umfeld umgesetzt werden können.

Am NÖ Zentrum für Medizinische Simulation und Patientensicherheit folgen wir internationalen Vorgaben: alle Trainer sind nach den Richtlinien des ACRM („Anesthesia Crisis Ressource Management“ nach David Gaba ausgebildet und haben Ausbildungslehrgänge nach dem InFacT Modell von Marcus Rall in Tübingen, Mainz, Dresden, Berlin oder Hochegg absolviert.

Kompetenz in Fragen der Erwachsenenbildung wie auch in der Vermittlung medizinischer Lehrinhalte konnten unsere Instruktoren durch ihre meist langjährige Lehrtätigkeit (etwa als Instruktoren des European Resuscitation Councils) sowie ihre klinische Berufserfahrung (Fachärzte mit Leitungs- und Ausbildungsverantwortung, Fachpflegepersonal aus dem Anästhesie- und Intensivbereich, Lehrbeauftragte von Rettungsorganisationen) erwerben. Alle Trainer verfügen zudem über langjährige Erfahrung in der klinischen bzw. präklinischen Notfallmedizin.

[1] Howard SK, Gaba DM, Fish KJ, Yang G, Sarnquist FH. (1992) Anesthesia crisis resource management training: teaching anesthesiologists to handle critical incidents. Aviat Space Environ Med. 63 (9): 763-70

[2] Gaba DM (2010) Crisis resource management and teamwork training in anaesthesia. Br J Anaesth. 105(1):3-6.

DIE TRAININGSELEMENTE

1. BRIEFING

Briefing

Zusammenstellung eines interprofessionellen Teams aus ÄrztInnen und Pflegepersonen, gemeinsame Information über die zu bearbeitende Situation bzw. das klinische Setting sowie die Aufgabenstellung.

2. SZENARIO

OP Simulation

Bearbeiten einer Behandlungssituation, so realitätsnah wie möglich – die Bereitschaft der Teilnehmer, sich auf das Szenario einzulassen, bestimmt den Trainingserfolg. Durch die Verwendung quasi-realistischer Simulatoren ist intensives Üben kritischer Abläufe ohne jedes Patientenrisiko möglich.

Wesentliche Charakteristika der Trainingszenarios sind: typische, medizinisch kritische Situation bei Patienten unterschiedlichen Alters (Entwicklung einer vitalen Gefährdung unter besonders schwierigen Umständen), kurze Entscheidungszeit, häufig auch ungünstige Rahmenbedingungen und äußere Stressfaktoren.

Am NÖ Zentrum für Medizinische Simulation stehen Simulatoren aller Alterstufen – Neugeborene, Säuglinge, Kinder und Erwachsene zur Verfügung.

3. DEBRIEFING

Debriefing

Kernelement des Simulationstrainings. Unter Verwendung von Audio- und Video-Aufzeichnungen aus dem Szenario erfolgt eine intensive Analyse und Aufarbeitung der Abläufe durch die Teilnehmer, unterstützt und angeleitet durch erfahrene Instruktoren.

Von entscheidender Bedeutung ist, dass hier sowohl Teilnehmer wie auch Trainer die Möglichkeit haben, Feedback zu geben, Erlebtes zu reflektieren und offen zu diskutieren sowie gemeinsam Optimierungsmöglichkeiten für das eigene Handeln zu erarbeiten. Damit wird eine intensive Auseinandersetzung mit dem eigenen Tun möglich und die Bedeutung einer offenen Kommunikationskultur für erfolgreiche Bewältigung kritischer Situationen erfahrbar („double-loop learning“). Das Debriefing wird übrigens – ebenso wie die Vermittlung von Kenntnissen zum Thema Kommunikation, Wahrnehmung und Entscheidungsfindung– im NÖ Zentrum für Medizinische Simulation und Patientensicherheit auf Basis verhaltenspsychologischer Erkenntnisse unterstützt und begleitet.